Brüllen

Waldspaziergang mal ganz anders

Alles, was der Geist erlebt hat und nicht verarbeiten konnte, hält der Körper fest. Dazu müssen Sie nicht einmal ein Mensch sein, der viel herunterschluckt. Im Laufe der Zeit können sich bei jedem Menschen Eindrücke ansammeln, von denen sie gar nicht wahrnehmen, dass sie da sind. Unser Geist kann vergessen, umdeuten und verdrängen – der Körper nicht. Entsprechend kann der die festsitzenden Eindrücke und Energien auch wieder freigeben.

Wenn Sie Gefühl haben, dass Sie schon lange etwas mit sich herumschleppen oder sich innerlich klären möchten, dann starten Sie doch mal mit dem Körper. Im Wald am Stadtrand von Berlin ist es unter Leitung meiner systemischen Lehrerin Antje Baubkus möglich, sich buchstäblich frei zu brüllen.

Warum im Wald?

Brüllen geht natürlich auch auf dem Fußballfeld oder beim Rockkonzert. Was ist also ist das Besondere am Brüllen im Wald?

  • Sie brüllen nicht nur, Sie prügeln auch! Und zwar schlagen Sie mit abgebrochenen Ästen die abgestorbenen unteren Zweige der Bäume ab – das tut gut.
  • Der Wald macht mit. Ist erst einmal eine Absicht formuliert, ein Anliegen ausgesprochen, dann ist es so, als ob die Natur zuhört und unterstützt. „Schlag-Äste“ brechen durch und holen festgehaltene Wut hervor, Raben krächzen, feuern dich an oder freuen sich mit dir, das Wetter ebnet dir den Weg oder fordert dich zum Zweikampf heraus.
  • Die bewusste Absicht, etwas für sich selbst zu tun, statt nach außen auf jemand anderen oder ein Ereignis zu schauen, bringt synchrone Ereignisse hervor. Die Energie folgt immer der Absicht und so öffnen sich Räume für das, was Sie beabsichtigen, z. b. sich zu befreien, zu reinigen, zu klären oder blockierte Energie zu lösen.
  • Sie sind in guter Begleitung. Antje ist Familientherapeutin und arbeitet seit vielen Jahren mit Menschen in der Natur. Wenn Sie sich nicht trauen, laut zu sein, wenn Sie nicht richtig weiter wissen oder Fragen haben, dann bekommen Sie vor Ort Feedback und neue Impulse, die Sie umsetzen können.
  • Sie öffnen sich bewusst für Erkenntnisse: Wenn Sie durch keine Bewertung des eigenen Tuns mehr gebremst werden, können Erkenntnisse einfach so „durchrauschen“. Der Kanal der eigenen Kraft und des eigenen Wissens wird frei gepustet. Unterdrückte, vitale Lebensaspekte kehren ins Bewusstsein und deutlich fühlbar in den Körper zurück.

Meine eigene Erfahrung

Ich war zusammen mit einer Kollegin nach Altlandsberg gefahren. Am Waldrand hatten wir Gelegenheit, in wenigen Worten mitzuteilen, was wir glauben, warum wir da sind. Antje bot uns auch noch ein paar zusätzliche Tools an.

Wer beispielsweise etwas Schweres loslassen möchte, bekommt erst einmal eine Ladung Holzbretter auf die Schultern, um damit umherzugehen. Dabei werden Altlasten spürbar, an die wir uns schon zu sehr gewöhnt haben, sodass wir ihr Gewicht nicht mehr bewusst wahrnehmen.

Ebenso wird der Schutz, den das Vertraute einer bekannten oder sogar lieb gewonnenen Last bietet, auf diese Weise überdeutlich. Dem mehr als nur symbolischen Abwerfen dieser Last sollte dann auch ein echter Impuls vorausgehen. Fehlt er, gibt es noch mehr Bretter!

„Und wenn Leute vorbeikommen?“ wollte ich wissen.
„Dann kommen Leute vorbei.“ Antje lachte. „Fast alle fragen das. Wenn sich eine Person viele Gedanken darüber macht, was andere denken, kann genau so eine Situation sehr befreiend sein.“

Los geht’s

Wir suchten uns also einen dicken Knüppel, mit dem wir durch die Schonung laufen würden. Erst einmal braucht es wirklich etwas Zeit, um sich daran zu gewöhnen, wie eine Irre durch den Wald zu jagen und zu prügeln. Das Brüllen wird dann schnell von alleine lauter – der Hunger kommt mit dem Essen.

Und wem es nicht so recht gelingen will, der kann sich Antje gegenüberstellen und zum Warm-werden die Fischweiberübung machen: Beide verkaufen lauthals ihren imaginären Fisch und machen den der anderen runter. So wie bei Asterix. Damit wird niemand beleidigt und das Gefühl für den eigenen Raum, das Rückgrat, die eigene Kraft wird gestärkt.

Im Verlauf wird es immer leichter

Was ich sehr interessant fand, war die anfänglich wechselnde Wertung meines Tuns. Erst dachte ich, „die armen Bäume können doch nichts dafür. Ich bin schlimm, ich randaliere hier herum“. Dann fiel mir ein, dass es ja sogar angenehm für die Bäume sein sollte und ich dachte, „oh, wie gut, ich tue was Gutes für den Wald“.

Nichts von beidem hat sich richtig angefühlt, denn es ging dabei um die Wertung des eigenen Tuns. Erst wenn dieser Filter passiert wird, sind einfach nur das reine Tun und das reine Gefühl da.

Danach konnte ich richtig schön zuschlagen. Und es war und war nicht genug, soviel Spaß hat es gemacht. Selbst wenn zwischendurch Tränen oder Wut da sind, macht es Spaß, weil einfach die ureigene, vitale Kraft zu hundert Prozent präsent ist.

Die Ideen, mein Wissen, welches während dieser Phase, in dieser zeitlosen Zeit in mir präsent wurde, hatte eine völlig andere Qualität: Es war klar, einfach, eindeutig und beeindruckend.

Schlussbesprechung

Zum Schluss tauschten wir uns am Waldrand noch einmal aus und Antje beantwortete unsere Fragen. Es waren übrigens Spaziergänger vorbeigekommen. Hat uns nichts gemacht und den Spaziergängern auch nicht, ich selber hatte sie kaum bemerkt. Wahrscheinlich buchen sie sich selber dann und wann ein.

Der Verlauf ist denkbar leicht: Anrufen, Termin vereinbaren, hinfahren, brüllen, zurückfahren. Dauer vor Ort ca. ein bis zwei Stunden. Unbedingt wetterfeste Kleidung anziehen, die auch dreckig werden darf.